Am Mittwoch präsentierte der US-Präsident Donald Trump die Zölle, die die USA künftig für ausländische Produkte anwenden werden. Dabei zeigte er eine Tabelle, auf der links jeweils der angebliche Zoll angegeben wurde, den ein Land auf US-Produkte erhebt. Auf der rechten Seite konnte man die künftigen US-Zölle auf Produkte des entsprechenden Landes sehen. Diese entsprechen jeweils der Hälfte der «Zölle» auf US-Produkte anderer Länder, mit einem Minimum von 10%.
Quelle: Armstrong Economics
Bei den Zahlen auf der linken Seite handelt es sich jedoch nicht um Zölle. Wie Trump selbst erklärte, kamen diese Zahlen zustande, indem das Handelsdefizit der USA mit einem bestimmten Land durch die Gesamteinfuhren aus diesem Land geteilt und das Ergebnis halbiert wurde. Beispielsweise exportierte die Schweiz 2024 Waren im Wert von 63,4 Milliarden Dollar in die USA, während es umgekehrt Waren für 24,9 Milliarden Dollar waren. Das ergibt ein Handelsdefizit von 38,5 Milliarden Dollar für die USA. Nun wurden 38,5 durch 63,4 geteilt, was 0,61 ergibt, ergo 61%. Diese Zahl wurde dann halbiert und somit ein US-Zoll auf Schweizer Produkte von 31% festgelegt.
Wie der US-Finanzanalytiker Martin Armstrong erklärt, ist die Annahme hinter dieser Methode, dass ein Handelsüberschuss eine wirtschaftliche «Ausnutzung» eines Landes gegenüber einem anderen bedeutet. Handelsungleichgewichte würden jedoch nicht auf so einfache Art und Weise funktionieren. Die USA würden gegenüber einigen Ländern Handelsdefizite aufweisen, während sie gegenüber anderen Ländern Überschüsse verzeichnen würden. Die Weltwirtschaft sei miteinander vernetzt, und die Verhängung willkürlicher Zölle auf der Grundlage eines Defizits spiegle nicht das Gesamtbild wider. Armstrong erläutert:
«So mag China beispielsweise einen Überschuss gegenüber den USA haben, aber es importiert auch Rohstoffe aus anderen Ländern, um Waren herzustellen. Wenn die USA Vergeltungszölle erheben, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass China die USA in unfairer Weise belastet hat. Die Vorteile Chinas in Bezug auf natürliche Ressourcen und niedrigere Produktionskosten sind Teil des Handelsabkommens.
Es gibt einen Grund dafür, dass die USA und China zu den größten Handelspartnern gehören, denn China war auf die US-amerikanischen Verbraucher angewiesen, so wie Amerika auf die billigeren chinesischen Waren angewiesen war. Damals investierte China in US-Schulden, die es einst als sicheres Geschäft betrachtete, aber das ist jetzt nicht mehr der Fall, und Amerika wird darunter leiden. All diese Maßnahmen führen dazu, dass Amerikas Handelspartner die Flucht ergreifen.»
Armstrong erwähnt als Beispiel Kanada, das viel weniger Einwohner hat als die USA. Das sei eine von vielen Variablen. Die Nachfrage sei insgesamt geringer, und obwohl Kanada bei zahlreichen Einfuhren auf die USA angewiesen sei, hätten die USA Kanada nicht subventioniert. «Ein Handelsdefizit ist keine Subvention!», macht der Finanzanalytiker klar. Die USA würden für kanadische Waren und Dienstleistungen mit US-Dollar zahlen, die Kanada dann in die US-Wirtschaft reinvestiere. So funktioniere der Welthandel. Er sei keine Einbahnstraße, bei der Kanada die USA einfach ausnutze.
Handelsungleichgewichte sind laut Armstrong natürlich und unvermeidlich, vor allem mit ärmeren Ländern, die es sich nicht leisten können, US-Waren im gleichen Umfang zu kaufen. Niedrigere Löhne im Ausland würden die Produktion im Ausland viel billiger machen, und Länder wie Kambodscha würden keine teuren US-Produkte importieren oder Fabriken verlagern, nur um hohe Zölle zu vermeiden. Das eigentliche Problem seien nicht nur die Warenkosten, sondern auch die Tatsache, dass hohe Zölle die USA als Investitionsstandort unattraktiver machen würden, da globale Unternehmen nicht nur auf dem heimischen Markt operieren könnten.
Armstrong weist zudem darauf hin, dass die Berechnungen den Währungsumtausch nicht berücksichtigen. Kapitalströme und Währungswerte würden häufig das Handelsdefizit beeinflussen:
«Wenn ausländisches Kapital in die USA fließt, um Staatsanleihen, Immobilien oder Aktien zu kaufen, stärkt dies den USD und macht US-Exporte teurer und Importe billiger. Dies ist nicht auf unfaire Handelspraktiken zurückzuführen, sondern auf die weltweite Nachfrage nach US-Anlagen.
Durch die willkürliche Erhebung von Zöllen steigen die Kosten für importierte Waren, was sich negativ auf die inländischen Industrien auswirken kann, die auf diese Waren angewiesen sind. Die meisten amerikanischen Hersteller sind auf ausländische Waren angewiesen, um ihre ‹Made in America›-Produkte herzustellen oder fertigzustellen. Die Erhöhung der Zölle wird die Produktionskosten in die Höhe treiben. Die Belegschaft wird schrumpfen, während die Gewinne sinken. Die Verbraucher tragen die Hauptlast dieser Politik durch höhere Preise.»
Die Annahme, dass Zölle nach der Regel «die Hälfte des Überschusses» festgelegt werden sollten, ignoriert gemäß dem Finanzanalytiker die Tatsache, dass Handelskriege nicht linear verlaufen. Diese Zölle seien nicht «reziprok», wie die Trump-Regierung behaupte. Es würden nicht die tatsächlichen Zölle anderer Länder betrachtet. Die Trump-Berater würden glauben, dass andere Länder «Zölle» aushandeln wollen, um einen freien Handel zu ermöglichen. Stattdessen würden sie einfach darauf hoffen, Handelsdefizite zu schließen, doch das könne nicht geschehen. Armstrong schließt:
«Der [Aktien-]Ausverkauf vom Donnerstag ist ein Zeichen dafür, dass Kapital aus den USA abfließt. Die Trump-Administration hat der Welt im Grunde gesagt, dass Amerika für internationale Geschäfte geschlossen ist, und das Kapital reagiert auf diese Drohung. Die wirklichen Auswirkungen dieser Zölle werden sich bald zeigen, wenn wir tiefer in eine Phase der Stagflation eintreten.»
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